
Die ewige Geschichte von Adam und Eva
Man wartet und wartet und wartet darauf. Seit dem Tag, an dem es zu Ende ging, schwirrt diese Frage im Kopf, seitdem man sich das letzte Mal gesehen hat wird der Wunsch immer weniger unterdrückbar: Tun wir’s oder nicht? Das allerdümmste oder auch das allerleidenschaftlichste, das tabuloseste und das gefährlichste, das prickelnste und das vorherzusehendste Ereignis wartet auf einen, knistert in der Luft, sprengt die Gedanken, nimmt seinen Platz in den Träumen ein, lässt einen einfach nicht in Ruhe:
Der Sex mit dem Ex.
Und dann ist es soweit. Die beiden haben es geschafft, sich einmal irgendwo zu treffen.
Sie hat sich bereits die Augenbrauen gezupft, sich sorgfältigst rasiert – wer weiß, was heute alles passieren kann? Geduscht, eine phantastische Frisur hingekriegt und dich dezent geschminkt.
Nackt vor deinem Spiegel sucht sie sich nun die perfekte Unterwäsche aus – sexy, aber nicht aufdringlich, elegant, aber nicht prüde, dezent, aber nicht unauffällig: schwarze Dessous eben! Darüber Jeans und eine sexy weiße Bluse. Sogar das Kunststück, das noch keiner Frau bisher gelang, hat sie fertig gebracht: In weniger als 20 Minuten hat sie sich die passende Kleidung ausgesucht und angezogen. So hinreißend schick und sexy verlässt sie ihre Wohnung.
Und wozu? Für ein wahres Martyrium, für etwas derart Überflüssiges und Nerviges, dass alleine schon beim Gedanken daran, dein Magen verkrampft. Genauso, wie er, selbstsicher, aber trotz allem verkrampft, wie das Gespräch, das wenige Minuten später stattfinden wird. Und auch der Abend, auch dieser wird verkrampft sein… denkt er.
Sie werden schlechten Kaffee im teuersten Cafe der Stadt trinken, obwohl sie viel lieber in einem Mini-Eiscafe in einem klein Dorf verweilt hätten. Sie werden über Dinge sprechen, die sie nicht verschweigen dürfen, obwohl das Verschweigen nichts an ihrer Belanglosigkeit verändern würde. Sie haben all die nichts sagenden Worte gefunden, um das zu verschweigen, was beide denken und um das auszudrücken, was beide verschweigen aber tun wollen. „Hi, Hallo, schön dich zu sehen.“(„Rrrrrrr… dieses sexy Biest…“), begrüßt er sie. „Hi, na, wie geht’s?“ („Mann... sieht der geil aus…“). „Super, und dir? Du schaust gut aus!“ („..und du bist sooo scharf!“) „Hey, du aber auch!“ („Nimm mich auf der Stelle!“). „Ich finde dich hinreißend… („Wollen wir das Ganze nicht einfach überspringen und gleich ins Bett? ..“). Dann kommt das übliche langweile Gespräch… Sie wird die ganze Zeit kichern, um zu zeigen, was für eine aufgeweckte Person sie war und wie sehr sie ihn bewundert. Das wird seine Zuneigung ihr gegenüber steigern. Ein altes Oma-Rezept eben. Er wird gestikulieren während sie mit Lichtgeschwindigkeit sprechen wird, um ihre Nervosität zu verbergen. Und sich ganz oft blamieren – hoffentlich mit einem charmanten Lächeln im Gesicht. Er wird sich an der Frage ausbeißen, ob sie nun ein Typ Frau ist, für den ein Mann zahlen sollte oder ob sie die Polizei ruft wegen sexueller Belästigung, sobald er seinen Geldbeutel zückt. Er wird sich von seiner sanft-männlichen Seite zeigen, ein lieber, sensibler Mann zum Anlehnen. Denn er wird denken, dass sie eine perfekte Frau ist – weiblich und doch stark und unabhängig. Und beide denken eigentlich die ganze Zeit nur an das Eine: „Zu mir oder zu dir?“ – ein schiefes Grinsen hängt in seinem Gesicht. Erleichtert lächelt sie, sie findet ihn auch hinreißend. „Ja, gerne“, sagt sie auf einmal, und strahlt ihn an… und läuft im Gesicht rot an…
Schließlich haben sie zusammen einen Freundschaftsdrink getrunken. Und dann noch einen. Und noch einen. Und einer geht noch… Und dann sind sie gegangen.
Dann haben sie sich für den Abend bei ihm in der Wohnung verabredet. Einfach so, nur zum Quatschen natürlich… Dort schauen sie fern. Einen Thriller. Über Amis und deutsche U-Boote und so… Sie haben es sogar geschafft, so zu tun, als würden sie wissen, worum es geht…
Und dann nimmt das Ganze seinen Lauf: Er nimmt ihre Hand. Ganz langsam und vorsichtig – um ja nichts Falsches zu tun. Ein bisschen streicheln nur… Erst die Hand, dann den Arm… So geht es weiter, immer weiter, immer schneller, immer unaufhaltsamer, immer vorhersehbarer… Dann ein bisschen Küssen nur, nicht auf den Mund. Denn das bedeutete ja Liebe. Zuerst auf die Wangen, dann am Hals… dann doch auf den Mund… Sie landen zuerst auf und dann im Bett. Dann sind sie nackt! Ganz ohne Klamotten! Entblößt! Wie früher… Aber sie küssen sich auch anders… Leidenschaftlicher… Besser! Übungsauszeit war also doch von Nutzen.
Er holt Kondome – sie wissen, dass sie sie noch brauchen werden. Mindestens zwei. Auf keinen Fall weniger. So läuft es weiter und weiter und weiter, immer schneller, bis... die Tür aufgeht! Die Beiden starren zwei überraschte Augen an. Und dann merkt sie, dass sie diese Augen kennt – es sind die Augen seines Vaters. Er will seinem Sohn nur eine Standpauke halten… Wegen des versauten Gartentischchens. Stattdessen sieht er sie! Und ihn! Nackt! …und beide sehen ihn. Angezogen!
Sie wissen, dass er weiß, dass sie schon lange nicht mehr zusammen sind. Sie wissen, dass er weiß, dass ihre Anwesenheit im Hause am frühen Morgen zumindest nicht die Regel ist. Ihre Nacktheit ist den Beiden so peinlich, dass sie sich bedecken.
Sie haben nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen, sie sind lediglich umtriebener. Nachdem er ihnen den Rücken gekehrt hat und schweigend aus dem Zimmer gegangen ist, ziehen sie sich schweigend wieder an. Unter der Bettdecke… Noch ehe sie weiß, was er denkt oder was er gesagt hätte, hat sie ihm den Rücken zugekehrt und geht und geht aus dem Zimmer und geht nach Hause. Sie ist doch kein Flittchen!
Sie werden sich nie wieder…
Natürlich werden sie sich wieder sehen… und wieder und wieder, bis sie zunächst liiert und dann verheiratet sind, schließlich Eltern einer Horde Kinder sind und letztendlich Großeltern werden. So wie Adam und Eva eben… Ach, wäre es schön, wenn alles so einfach wäre!
Es gibt nichts leichteres, als zu erkennen, was wir wollen.
